Pressestimmen zu "warten auf beckett"

Rudolf Kraus

WARTEN AUF BECKETT

sprachminiaturen

Verlagshaus Hernals, Wien 2016, 63 Seiten

ISBN 978-3-902975-37-9

 

Das elegante schmale Bändchen setzt sich zusammen aus kleinen Texten „für die geister“ Verstorbener, aus „widmungen“ – eine an Goethe befindet sich am Cover -, dedikationen, aus „zu gedichtet“ zu Texten anderer Autoren und aus „amicitia vincit horas“, Gedichten für Freunde und Nahestehende. Angeschlossen sind Anmerkungen zu den erwähnten Personen und Institutionen.

Dies ist ein ungewöhnliches Programm. Es dokumentiert ein Netz aus Freundschaft, Wertschätzung für das Werk anderer und die Nähe toter Dichter und Denker. Zwar ist Rudolf Kraus Bibliothekar, da sind Poeten, ob tot oder lebendig, sein tägliches berufliches Umfeld. Aber so wie er schreibt, in dieser Kürze, trocken, aber mit Herz, mit zurückhaltender Hinwendung und Bestimmtheit, ist seine Beziehung zu all diesen von ihm bedachten Personen von einer anderen Art. Von welcher? – Es liegt im Wesen des Gedichtes einer Muschel zu gleichen, in der man das unsichtbare Meer rauschen hört, und es bewahrt etwas und verheimlicht etwas. Wer fast ausschließlich „sprachminiaturen“ schreibt, ist bemüht, in seinen karg und genau gesetzten Worten etwas zu verbergen. Wir Leser müssen nicht alles wissen. Vielmehr sollen wir den fremden Geschmack fühlen, uns davon berühren lassen und ihn genießen, auch als sinnliches Abenteuer, nicht nur als intellektuelle Herausforderung. In seinem Gedicht für Wislawa Szymborska gibt Kraus ein Beispiel für das Erleben von Lyrik: „hab drei worte / in den mund genommen // hab daran / geleckt / geschmeckt / sie über den gaumen / rollen lassen // und letztes endes / verschluckt // noch immer / liegen sie mir / schwer im magen“ (Seite 15).

Diese Sprachminiaturen sind auch Sprachspiele, enthalten Witz und Komik. Das Akrostichon wird verwendet, sodass die ersten Buchstaben jeder Zeile, von oben nach unten gelesen, den Namen der Person ergeben, der die Sprachminiatur gilt. Und es liegt nahe, dass ein Autor, der die Kürze liebt, auch das Haiku zu seiner Ausdrucksform macht. Kraus ist kein geschwätziger Mensch, wenn er auch meint, dass Stille, diese „Trommelfellunterforderung“, bedrohlich sein kann („wundstille“ Seite 44). Manchmal genügen Wörter, es müssen nicht Sätze mit Satzgegenstand und Satzaussage sein. Untereinander gereiht, eine Liste von Wörtern oder Namen können auch eine Aussage sein.

Miniaturen sind naturgemäß feine Dinge, die zu ihrer Herstellung feiner Instrumente bedürfen. Geschliffen und zugespitzt, präzise und dünn gepinselt ist diese Sprache. Sie bietet dem Leser Überraschungen. So wenig an Text kann ganze Tragödien nicht einschließen, eher aufwecken. Dann stehen Schmerz, Trauer, Erschrecken und auch Empörung wieder da wie eine Erscheinung auf der Schwelle. Diese schmale Schwelle sind die Verse.

Es gibt auch längere Gedichte, mit Extrasystolen im Rhythmus, der die natürliche Sprache eines unruhigen Herzens ist. Sensible Gebilde, die ihre Melancholie meistens verbergen. „stumm bin ich wieder / herbstfrischlingskind // mein singen hören nur /jene / am anderen ufer“ (Seite 56). Wir kennen Rudolf Kraus aus früher publizierten Sprachminiaturen. Gelegentlich sind „die sinne verwildert / nur das denken bleibt koscher“, und er bleibt seiner Art zu schreiben, seiner ureigenen Sprache treu und bietet uns dennoch immer erfrischend Neues.

 Elisabeth Schawerda in "Literarisches Österreich 2016/2"


GEGENWARTSLITERATUR 2511

warten auf beckett

Eine Miniatur gilt landläufig als eine kleinere Fassung von etwas scheinbar Großem, die aber die volle Funktionstüchtigkeit vom Großem hat. Süffisant wird manchmal ganz Österreich als Miniatur bezeichnet, was bei einem Blick auf Google Earth durchaus naheliegt.

Rudolf Kraus widmet sich in seinen Sprachminiaturen dramatischen Verknotungen, kühnen Assoziationen und nicht kalibrierten Würdigungen. In ein paar Fügungen sind nach der Miniaturmethode alle großen Ereignisse gespeichert. Wozu also einen Fünfakter auswalken, wenn es sich in nuce in fünf Zeilen sagen lässt.

Warten auf Beckett zeigt schon im Titel, dass es um diesen kleinen Dreh geht, der einen Ausweg aus einer verlorenen Situation bringt. Wenn schon das Warten auf den berüchtigten Godot nichts bringt, dann muss man eben auf dessen Meister warten. Ob Beckett dann kommt, ist eine andere Frage, aber es kommt auf das richtige Warten drauf an. Das Gedicht mit diesem Titel verschneidet die Schicksale von Camus, Morrison oder Bakunin mit der existenziellen Formel „ich bewahre oh ach nein ja nie wir zum teufel wo wird kommen“. (27)

Die insgesamt fünfunddreißig Sprachminiaturen sind in Siebener-Scheiben geschnitten und fünf Positionen der literarischen Würdigung zugeordnet. „Für die Geister / Widmungen / Dedikationen / zu gedichtet / amicitia vincit horas“ sind Situationen, in denen Literatur mit ihren Autoren verknüpft werden kann. So gibt es Widmungen an Karl Kraus, Helmut Qualtinger oder Billy the Kid, in einem neuen Anlauf werden die jung Verstorbenen extra auf die Bühne gebeten und in den Club der siebenundzwanzig aufgenommen. Die Siebenundzwanzig gilt dabei als geniale Sterbezahl für Genies

Erstaunlich ist der Anteil der Südtiroler Künstler, die mit einer Sprachminiatur bedacht werden, Konrad Rabensteiner, Hermann Permann oder Sepp Mall steuern durch ihr Werk die Anlage der Miniatur. So wird das Gedicht Aufzählung von Sepp Mall etwa mit der Verzählung gewürdigt. Und wenn schon Karl Kraus Zuspruch bekommt, dann darf sein Namenskollege auch gewürdigt werden. Die Miniatur „Unterm Mond“ ist ganz exquisit „für mich“. (56) „voller mond / am jubeltag / füllige fasern / die sinne verwildert / nur das denken bleibt koscher / keine lieder & kein / freudengeschrei // stumm bin ich wieder / herbstfrischlingskind // mein singen hören nur / jene / am anderen ufer“.

Die angesprochenen Künstler sind in einem eigenen „Biographium“ versammelt und schwimmen dort mit ihren Grunddaten herum.

Warten auf Beckett ist ein Poesiealbum mit Schlüsselstellen der schöpferischen Überlebenskultur, ein Freundeskreis aus verschollenen, verstorbenen, jenseitigen Künstlern ist aufgetan, alle sind in Warteposition und werden nicht müde dabei, denn sie sind wohl abgestützt durch ihre Kunst.

Rudolf Kraus: warten auf beckett. sprachminiaturen.

Wien: Verlagshaus Hernals 2016. 63 Seiten. EUR 22,90. ISBN 978-3-902975-37-9.

Rudolf Kraus, geb. 1961 in Bad Fischau, lebt in Wien.

Helmuth Schönauer 30/06/16


Deftig, heftig sind die meisten, der meist einem Autor, Musiker, einem Künstler, Schauspieler etc. gewidmeten Gedichte, explizit und expressiv (eines ist demgemäß August Stramm gewidmet) – zwei der Gedichte allerdings fallen sofort ins Auge, es sind jene, die sensibel den Blick auf die Welt richten, jenes, das der Autor sich selbst widmet „... stumm bin ich wieder / herbstfrischlingskind“ und jenes mit der ersten (TItelzeile?) „der schlaf hat innere augen“ – sie sind von einer gewissen Zartheit im Umgang mit Wahrnehmung!

Die übrigen sind in der Mehrzahl laute, grelle, trotzige Worterhebungen: „wenn die fackel brennt“ (an karl kraus etwa, „fettes blau / brennt sich ins papier“ (für hermann permann; unter den Texten sind auch Repliken auf Bücher wie zum Beispiel  „Dreizehnter Würfel“ von Zsuszanna Gahse.

Als Eingangsgedicht findet sich „Krausrudi – Leopoldrudi“ von Hermann Permann.

Ein Buch, das die Verständigung mit Dichterinnen und Dichtern sowie deren Werken aufnimmt!

Rudolf Kraus
warten auf beckett. sprachminiaturen.

Verlagshaus Hernals, Wien 2016


gangway - Reviewed by Petra Ganglbauer | 26 May 2016


Warten auf Beckett

Sprachminiaturen von Rudolf Kraus

(Verlagshaus Hernals, ISBN978-3-902975-37-9)

Gut, dass im Anhang Hinweise sind, wer die Personen waren/sind, welche in den Miniaturen vorkommen. So ist es auch Maturanten der österreichischen Schulen möglich zu erfahren, wer beispielsweise Wislawa Szymborska, Giordano Bruno oder Johannes Urzidil waren. Der Rezensent hatte im Jahre 2015 erlebt, dass sechs Maturanten aus fünf Klassen einer Handelsakademie mit dem Namen Rainer Maria Rilke nichts anzufangen wussten. So ist es begrüßenswert, dass auf diese Art Nachhilfeunterricht erteilt wird. Wobei zu befürchten steht, dass jene, welche die Nachhilfe brauchen würden, diese Sprachminiaturen gar nicht in die Hand bekommen. Als nächste Befürchtung äußert der Rezensent, dass die Damen und Herren mit einem Text wie „wenn die fackel brennt/blenden die wahren heuchler/mit sanfter zunge“ gewidmet Karl Kraus auch nicht viel anfangen könnten. Na ja. Lassen wir das, das Jammern über das Niveau der österreichischen Schulbildung ist nicht Gegenstand einer Rezension eines Werkes von Rudolf Kraus.

Fünfunddreißig „Sprachminiaturen“ legt Kraus nun vor. Für Geister, Widmungen, Dedikationen, zu gedichtet und Freundschaft überdauert die Zeit (amicitia vincit horas) ist einmal eine „grobe“ Einteilung – darf man bei diesen Texten überhaupt von „grob“ schreiben oder auch nur daran denken? Aber ja, Kraus spricht aus, was es ist – beispielsweise in der Widmung an Giordano Bruno: „Unhörbar schrie er/zum himmel/aufblickend/als man ihn verbrannte. Diese Sprachminiaturen sind geschliffen, aber nicht glatt, abweisend. Geschliffen im Sinne von bearbeitet, und gerichtet. Zielgerichtet, wie es eigentlich in der Lyrik kaum mehr vorkommt. Es ist nichts im Nebel der Wörter verborgen, aber es sind wunderbare und kraftvolle Bilder welche der Dichter uns anbietet: „der schlaf hat innere augen/und mit welchem auge du dann siehst/entscheidest nicht du/etwas kommt unerwartet/unermesslich einzigartig/gespenstisch/wie ein nie erlebter/nie dagewesener/kuss (der Beginn einer „Zudichtung“ an Henry Miller).

Da haben wir schon etwas in der Hand, das einmal über die Lektüre eines Sommerabends hinaus geht.  Ein Bändchen, das man gerne liegen lassen kann, es nicht sofort in den Bücherschrank einordnen muss und immer einmal zur Hand nimmt. So an einem ruhigen Abend, mit einem Glas Wein oder im Gedanken an Vergangene, Vergangenes wie den Klub der 27.

Rudolf Kraus, kraushaarrudi auch genannt, ein höchst produktiver Autor aus Niederösterreich in Wien und Bad Fischau lebend, erfreut und überrascht immer wieder mit Miniaturen, wie er bereits einmal in einem Band angekündigt hatte: „Ein Ende ist nicht abzusehen“ Fein, lieber Kollege! Wir warten drauf!

Hans Bäck, Kapfenberg

http://www.europa-literaturkreis.net/lesetipp-baeck.htm

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